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Digitale Schnittstellen statt Mehrfachdokumentation

Praktiker machen Vorschläge für effizienteres agrarpolitisches System

Wenn die Genehmigung eines Stallbaus sieben Jahre beansprucht, Dokumentationen auf dem Papierweg erfolgen und schlimmstenfalls mehrfach, dann besteht Veränderungsbedarf. Wo die Schmerzpunkte bei gegenwärtigen Regularien liegen und was Abhilfe schaffen könnte, skizzierten Praktiker im Plenum der DLG-Wintertagung.

 „Wir suchen einen Mittelweg zwischen grenzenloser Freiheit und überbordender Regulatorik“, brachte Siv Biada, Leiterin des Internationalen Pflanzenbauzentrums der DLG, die Grundanforderungen an ein zukunftsfähiges agrarpolitisches System auf den Punkt. Zuvor hatte DLG-Präsident Hubertus Paetow zu Beginn des Plenums am Mittwoch auf der DLG-Wintertagung 2024 betont, dass Bürokratie und Kontrollwesen grundsätzlich berechtigte Anliegen eines demokratischen Systems seien. „Schlecht gemanagte politische Entscheidungen“ machten es aber erforderlich, Prozesse effizienter zu gestalten. Hierzu könne und solle auch die DLG das ihrige beitragen und konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Passend dazu stand die DLG-Wintertagung unter dem Leitthema „Ziele statt Zügel – Unternehmen machen lassen“.

Uneinheitliche Regelungen verunsichern Praktiker

Wie sich Regularien und Bürokratie auf den Betriebsalltag auswirken, schilderten die landwirtschaftlichen Beraterinnen Ruth Beverborg von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Nane Christin Locht, Hanse Agro Beratung und Entwicklung und Galaxis GmbH, sowie der Landwirt Falk Voß-Hagen. Ruth Beverborg kritisierte aus ihrer Beratungspraxis beispielsweise uneinheitliche Begrünungsregelungen für Stilllegungsflächen bei der verpflichtenden GLÖZ 8-, der Öko-Regelungs- und der AUKM-Brache, die unter Landwirten für Verunsicherung sorgten.

Nane Christin Locht berichtete aus ihrer Anschauung, dass eine Düngebedarfsermittlung zwar auch für eine realistische Bedarfsplanung auf den Betrieben hilfreich sein könne. Sie wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es durch weitere Kontrollschritte wie die Düngedokumentation und Stoffstrombilanz dazu käme, dass mehr oder minder identische Vorgänge mehrfach dokumentiert würden.

Sieben Jahre und 56 Aktenordner für eine Baugenehmigung

Landwirt und Schweinehalter Falk Voß-Hagen berichtete, dass Genehmigungsverfahren für Stallbauten nach seinen Erfahrungen rund sieben Jahre dauern würden und 56 Aktenordner füllten.

Die Praktikerinnen und der Praktiker stellten die Notwendigkeit für Dokumentation und Kontrollen nicht grundsätzlich in Frage, sahen aber einhellig die Notwendigkeit, das aktuelle System zu verbessern. Falk Voß-Hagen etwa entwarf den Vorschlag eines sicheren Datenraumes, in dem alle für einen Baugenehmigungsprozess notwendigen Dokumente gesammelt, über Schnittstellen allen beteiligten Personen vom Landwirt über den Architekten bis hin zur genehmigenden Behörde zugänglich gemacht und auch über elektronische Unterschriftsverfahren Genehmigungsprozesse direkt digital durchgeführt werden könnten.

Konstruktive Vorschläge gefragt

Locht, Beverborg und Voß-Hagen machten während des Plenums auf der Wintertagung beispielhaft vor, was sich die DLG für die Zukunft vorgenommen hat: Konstruktiv konkrete Verbesserungsvorschläge entwickeln und in den Diskurs zur Neugestaltung des agrarpolitischen Systems einzubringen. „Staat und Verwaltung können das nicht alleine in die Hand nehmen. Es ist an uns, Verbesserungsvorschläge für Deregulierung und Bürokratieabbau zu entwickeln“, brachte dies DLG-Vizepräsident Philipp Schulze-Esking auf den Punkt.

Für eine radikale Verringerung der bürokratischen Auflagen sprach sich indessen Prof. Karl Heinz Paqué, Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, auf der DLG-Wintertagung in Leipzig auf. Innovationsoffenheit und technischer Fortschritt funktionierten nur mit einem dringend notwendigen Bürokratieabbau, betonte er.

„Eine Mischung aus Geopolitik und Wetterextremen wird uns immer begleiten“, betonte Paqué. Doch auch hier plädiert er für mehr Offenheit für innovative Ansätze wie moderne Züchtungstechniken oder synthetische Fleischproduktion. „Wir stehen am Anfang einer zweiten Grünen Revolution“, sagte Paqué. Die Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und ressourcenschonenden Bewirtschaftung in der Landwirtschaft hält er für enorm. „Deshalb müssen wir jetzt an den richten Rahmenbedingungen feilen und in die landwirtschaftliche Praxis überführen.

Moderne Branche muss im internationalen Wettbewerb bestehen

Eindringlich warnt Paqué auf der DLG-Wintertagung die Politik in Berlin und Brüssel vor weiteren Regularien. „Landwirtschaft hat eine Zukunft“, unterstrich er. Doch müssen die Weichen so gestellt werden, dass sie als moderne Branche im internationalen Wettbewerb bestehen könne. Damit dies gelinge, müsse unter anderem die Digitalisierung im ländlichen Raum voranschreiten. Die Digitalisierungswelle habe gegenwärtig den ländlichen Raum noch nicht richtig erfasst. Die schlechte Netzanbindung auf den Feldern verhindere vielmehr den Einsatz von digitalen Landmaschinen.

Eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft brauche zudem gut ausgebildete Fachkräfte, so Paqué weiter. Gut ausgebildete Landwirte, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben. Dafür müsse die Politik die Weichen stellen. „Entfesselung statt Gängelung“ ist daher seine These, die auf dem Thema der DLG-Wintertagung „Ziele statt Zügel“ fußt.


Stefanie Pionke, DLG-Kommunikation & Daphne Huber, agrarticker